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© St. Galler Tagblatt - freundlicherweise zur Verfügung gestellt!

Ein über 300 Jahre altes Namenregister der Stadt St. Gallen ist 2015 in Fribourg aufgetaucht. Unter Mitwirkung der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft Ostschweiz ist der wertvolle Band nun nach St. Gallen zurückgekehrt.

Es war nicht wie beim Kulturgüterstreit zwischen Zürich und St. Gallen, als ein historischer Globus vor rund zehn Jahren alte Wunden aufriss: Die Fribourger wollten das kleine Büchlein, in dem fein säuberlich und von Hand alle Taufen in der Stadt St. Gallen von 1640 bis 1738 erfasst sind, gar nicht behalten. Das Register, das bei Ordnungsarbeiten im Archiv des Fribourger Instituts für Heraldik und Genealogie aufgefallen war, sollte zurück in die Ostschweiz.

Dank Vermittlung der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft Ostschweiz (GHGO) fand man einen dankbaren Abnehmer für das einzigartige Dokument: das Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St. Gallen. Nach rund drei Jahrhunderten ist das Buch noch immer in einem sehr guten Zustand. Einzig der Deckel ist eingerissen, und einzelne Seiten sind etwas abgenutzt – wohl durch blätternde neugierige Nachfahren.

Eine unverhoffte Rückkehr

Auf die Reise mitgenommen?

Wie das Buch überhaupt an die Saane kam, ist unklar. Gewiss ist aber, dass das Register – wie auf der ersten Seite vermerkt – im Jahr 1726 einem Felix Specker gehörte. «Es könnte sein, dass Specker das Buch auf einer Geschäftsreise nach Fribourg brachte», sagt Wolf Seelentag, der als GHGO-Vizepräsident für die Rückkehr des Namensregisters verantwortlich war.

Seine Recherchen haben ergeben, dass es zu jener Zeit gleich drei Felix Specker in der Stadt St. Gallen gab: einen Metzger, einen Goldarbeiter und einen Kaufmann. Letzterer komme am ehesten als Eigentümer des Registers in Frage. Dies auch, weil dokumentiert ist, dass er in der jurassischen Stadt Besançon verstarb.

«Da liegt es nahe, dass er das Buch auf einer seiner Geschäftsreisen mitgenommen hat», sagt Seelentag. Hingegen sei es aber durchaus möglich, dass das Buch erst viel später von der Ostschweiz nach Fribourg gelangte.

Unbestritten ist der grosse Wert des Verzeichnisses für die Sammlung des St. Galler Stadtarchivs. «Es erleichtert Recherchen nach Personen, die zu jener Zeit in der Stadt gelebt haben, enorm», sagt Nicole Stadelmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archivs. Im Gegensatz zu den kirchlichen Taufbüchern aus jener Zeit sind die Taufen nicht chronologisch nach Monat und Jahr, sondern nach Namen geordnet. Sucht man also in den Verzeichnissen nach einer bestimmten Person, wird man nun schneller fündig.

Wertvolles Einzelstück

Obwohl es sich nicht um ein original kirchliches Taufbuch, sondern um eine private Abschrift in Form eines Registers handelt, ist der Wert des Buches beträchtlich. Der ideelle Wert sei zweifellos riesig. «Ein Marktpreis ist aber kaum zu beziffern, da es sich um ein Unikat handelt», sagt Nicole Stadelmann. Sammler liessen sich dafür aber bestimmt begeistern.

Wolf Seelentag weiss aus Erfahrung, dass vergleichbare Stücke auf dem Schwarzmarkt oder sogar auf Flohmärkten zu finden seien. Dieses Exemplar, so bekräftigen beide, bleibe aber, wo es jetzt ist. «Es passt hervorragend zu unserer Sammlung», sagt Nicole Stadelmann.

Lebensumstände erforschen

Zusammen mit Ratsprotokollen, Steuerbüchern und Gerichtsprotokollen ist es nun möglich, nicht nur viel über die Lebensdaten einzelner Personen in Erfahrung zu bringen, sondern auch Lebensumstände und gesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen. Nicole Stadelmann: «Das ist das Fleisch am Knochen, das die Forschung so spannend macht.»

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Anfragen zu den Ahnen

Die Genealogisch-Heraldische Gesellschaft Ostschweiz (GHGO) wurde 1932 als «Vereinigung für Familienkunde Sankt Gallen und Appenzell» von damals neun Mitgliedern gegründet. Darunter waren Hans Richard von Fels und Alfred Schmid, die später das Wappenbuch der Stadt St. Gallen herausgegeben haben. Bis in die 1970er-Jahre schwankte die Zahl der GHGO-Mitglieder zwischen 25 und 55. Bis 2003 stieg sie auf 135 an, einschliesslich zahlreicher Personen aus dem Thurgau, wo keine genealogisch-heraldische Vereinigung besteht. Um dem Rechnung zu tragen, wurde im Jahr 2004 der Name der Vereinigung auf «Genealogisch-Heraldische Gesellschaft Ostschweiz» geändert. Seither blieb die Mitgliederzahl konstant bei etwa 135.

Neben der Organisation von Vortragsreihen und Ausflügen beantwortet die GHGO Anfragen von Personen, die etwas über Ahnen aus der Ostschweiz erfahren möchten. Solche Anfragen erhält die Gesellschaft etwa regelmässig aus den USA, wohin im 19. Jahrhundert viele Ostschweizer auswanderten. (lgh)